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39. Leipzig Marathon

Leipzig, 19.04. Nachdem mich gleich mehrere Verletzungen im vergangenen Herbst von der Teilnahme am Frankfurt Marathon und vom Training abhielten, konnte dieses Ende November wieder aufgenommen werden. Im Januar begann dann die intensive Vorbereitungsphase auf Leipzig. Diese war geprägt durch einen geradlinigen Verlauf ohne Schnickschnack, selbst auf das sonst im März übliche Trainingslager auf den Kanaren wurde verzichtet. Weiterhin sollte das Programm – untypisch für mich – diesmal nur durch sehr wenige Wettkämpfe durchsetzt sein (ein Silvesterlauf, ein 20er Anfang Januar, der Leipziger Wintermarathon und der Málaga-Halbmarathon 4 Wochen vor dem Hauptwettkampf), um auf die anvisierten 2:35 h hinzuarbeiten. Der Fortschritt verlief bis zum 10. Februar sehr gut und nach Plan. Ein schmerzhafter Sturz im Training auf Glatteis setzte der bisherigen Kontinuität allerdings ein jähes Ende. Es folgten eine Ellenbogen-OP sowie 3 Wochen Trainingsausfall. Zwischenzeitlich ohne jede Hoffnung, an der Teilnahme in Leipzig festhalten zu können, gelang die Wiederaufnahme des Trainings ohne größere Probleme mit nur unwesentlichen Rückschlägen (auf den langen Kanten konnte ich nie eine Endbeschleunigung einbauen). In Málaga folgte eine Zeit knapp unter 1:16 h, was mich schlussendlich doch davon überzeugte, den bisherigen Plan mit geringen Abstrichen weiterzuverfolgen.

So blieb dann am finalen Wettkampftag auch das Bestreben, weiterhin bestenfalls die sub 2:35 h, alternativ Marcs Bestzeit von 2:37:45 h aus Dubai und wenigstens aber meine persönliche Bestzeit vom Vorjahr von 2:39:10 h anzugreifen. Im Vorfeld hatten sich Stephan und ich taktisch auf ein sehr defensives Herangehen im ersten Abschnitt geeinigt, ich selber hatte die Peter Greif Taktik gewählt, welche eine Beschleunigung nach 15 km vorsieht. Lars entschloss sich kurzfristig, seinen Pacemakerservice anzubieten und später planmäßig auszusteigen, so war dann auch unser Team vom Wintermarathon wieder vereint. Noch gut eine Woche vor dem Start konnte ich mir durchaus berechtigte Hoffnungen machen, meinen dritten Platz aus den beiden Vorjahren erneut verteidigen zu können, hatte ich in der Startliste doch bislang „nur“ Maik und Kay-Uwe als unschlagbar ausmachen können. Wenige Tage später brachen jedoch die Meldungen der Starts über – anlässlich Leipzigs 1000-jährigem Stadtjubiläum – eingeladener Äthiopier und Osteuropäer herein, und als an der Startlinie auch noch Christian anzutreffen war, konnte das Ziel nur noch auf bestenfalls Top Ten korrigiert werden.

An der Startlinie angekommen, hätten zumindest die Bedingungen kaum besser sein können: kühl, klare Luft und nur mäßiger Wind. Ganz typisch für den Leipziger Marathontag strahlte jedoch die Sonne wieder auf uns herunter, was später jedoch mehr zu einem leichten Sonnenbrand als zu Leistungseinbußen führte. Nachdem die gut Tausend Läufer auf ihre Mission geschickt wurden, war die 7-köpfige Spitzengruppe schon sehr schnell außerhalb unserer Sichtweite. Danach folgten bereits wir drei. Das Tempo war eher etwas zu niedrig als zu hoch, gegen 3:46 min/km, aber immer gleichmäßig. Per schloss auf und vervollständigte nach wenigen Kilometern unser Trio zum Quartett, und so ging es locker und leichtfüßig auf die Reise. Die Beine fühlten sich gut an und der Rhythmus passte, doch die Erfahrung lehrte, dass die Beine zu Beginn besser auf den Kopf hören sollten. So blieben wir bis km 15 alle beisammen und Uwe war für die Getränkeversorgung verantwortlich. Ab der August-Bebel-Straße wurde es dann allerdings so langsam Zeit, die Handbremse zu lösen, um sich die Chance auf die weiter oben genannten Zeitziele zu erhalten. Meine bisherigen Mitstreiter entschieden sich dazu, das bisherige Tempo beizubehalten, und so überließen wir uns gegenseitig unserem Schicksal. Entsprechend einsam verlief der Rest des Rennens (zumindest, was die läuferische Begleitung anging).

Bei Halbmarathondurchgang war dann richtig Stimmung, viele bekannte und auch unbekannte Gesichter feuerten mich an und schickten mich mit einem gesunden Maß an Euphorie in die zweite Runde. Die Uhr zeigte 1:18:30 h an – alles war noch möglich. Wenig später auf der Käthe-Kollwitz-Straße gesellte sich zu meiner Verwunderung – ich selber zu diesem Zeitpunkt nur auf dem achten Rang liegend – ein Begleitfahrzeug des diesjährigen Automobilveranstaltungssponsors dazu. Der Oberklassewagen wich dann tatsächlich bis fast zum Ende hin nicht mehr von meiner Seite. Auf die lässige Frage des Fahrers „Na, noch im Plan?“ entgegnete ich ein doch übertrieben gequältes „Einigermaßen!“, um zu signalisieren, nicht unbedingt viel Gesprächsbedarf zu haben. Obwohl die Beine sich noch recht gut anfühlten und der Schnitt unter 3:40 min/km lag, wurden die Anstiege (Prager/Zwickauer/Semmelweissstraße) subjektiv deutlich steiler als noch in der ersten Runde, und der Gegenwind blies nach eigenem Empfinden ebenso stärker. Der Anstieg am Schleußiger Weg ließ mich schließlich spüren, dass die restliche Strecke kein Spaziergang werden wird, und warum es immer noch Wett“kampf“ genannt wird. Auf den letzten 6 Kilometern kam es dann auch so: die Geschwindigkeit wurde zunehmend langsamer, bzw. musste ich deutlich mehr Energie aufwenden, um diese zu halten. Die Füße, die sich kurz zuvor noch weitgehend im Einklang mit einem sauberen Laufstil befanden, klatschten plump auf den Asphalt. Ich war mir dessen bewusst, doch der Versuch, dies abzustellen, gestaltete sich noch viel kräftezehrender, und so beließ ich es dabei. Die Schmerzen wurden größer: Wie gerne wäre ich doch jetzt ausgestiegen, aber der Blick auf die Uhr verriet, dass mein Puffer zur Bestzeit immer noch enorm war und ich mir im Nachgang jedwede Bequemlichkeit nie hätte verzeihen können. Von der sub 2:35 h verabschiedete ich mich, alle anderen vormals postulierten Zeitziele waren aber durchaus realistisch, wenn kein Totaleinbruch eintritt. Km 41 ging als langsamster mit ungefähr 4:10 min/km weg (ich laufe im Rennen nie mit GPS). Der Kampf mit mir selbst wurde erst wieder leichter, als der Zielbereich mit Moderation und den Zuschauermassen auf der Jahnallee hörbar wurde. Ich drehte den Kopf nach rechts, um die Lützner Straße einzusehen: obwohl kein Verfolger auszumachen war, wusste ich, dass man zu mir weiter aufgeschlossen haben muss. Den letzten kleinen Anstieg nahm ich bereits unter Beifall von Zuschauern, deren Dichte immer weiter zunahm und die Leiden zumindest nicht verschlimmerte. Endlich auf der Zielgeraden angekommen, wurde ich vom Publikum und dem Moderatorenpaar nochmals vorangetrieben, die 2:37 zu knacken. Sogar mein Fauxpas mit dem gebrochenen Arm schien sich mittlerweile herumgesprochen zu haben. Die Uhr lief unaufhörlich: 37, 38, 39, 41, … mit einer letzten beherzten Sprinteinlage – sicherlich kein Musterbeispiel läuferischer Ästhetik – stoppte endlich die Uhr bei 2:36:50 h im Ziel. Dort dann große Freude, Abklatschen mit den Eltern und einigen Halbmarathonis wie Sebastian, die kurz vor ihrem Start standen. 50 Sekunden später kam dann auch schon Stephan herein, der ein erstklassig eingeteiltes Rennen lief. Ungeachtet der letzten Kilometer konnte ich aber – die Winterteammarathons ausgenommen – erstmals auch selber einen negativen Split verzeichnen. Ich erfuhr dann auch wenig später, dass Christian ausgestiegen war, was mir den siebten Platz bescherte.

Weiterhin gaben Grund zum Jubel ein dritter Platz in der Altersklasse, drittschnellster Deutscher sowie schnellster gebürtiger Leipziger. Alles Dinge, von denen man sich nichts kaufen kann, aber bei einer derart stark besetzten Spitze herhalten müssen, um die im Vergleich dazu bescheidene eigene Leistung wenigstens für sich selbst hervorzuheben. Ich persönlich wünsche mir, dass der Veranstalter sein bisheriges erfolgreiches Konzept, keine schnellen Läufer aus dem Ausland zu verpflichten, für die kommenden Auflagen beibehält und dieses Jahr eine Ausnahme bleibt. Ein Mehrgewinn jedweder Art war für mich weder erkennbar noch nachvollziehbar; der Leipzig Marathon sollte ein Lauf für die Läufer der Region bleiben und seine Sonderstellung im Einheitsbrei der Großveranstaltungen mit eingekauften Spitzenathleten beibehalten und als einziger großer Stadtmarathon auch weiterhin ambitionierten Freizeitsportlern die Chance geben, hier gewinnen zu können. Sollte die Ära der Lokalmatadoren tatsächlich beendet sein, so wäre mein Vorschlag, wenigstens die ersten 6 oder 10 Athleten/Athletinnen zu ehren, wie es einst früher der Fall war, um diese Sportler nicht an andere Veranstaltungen zu verlieren. Dies soll keinesfalls als Nachtrauern über eine verpasste Podestplatzierung missverstanden werden – ansonsten hätte ich mir sicherlich eine andere Sportart gewählt. Aufgrund der diesjährigen Praxis entstand die für mich sehr unverhältnismäßige Begebenheit, dass Maik mit einer 2:27 h dieses Jahr nur den vierten, ich aber vor zwei Jahren beispielsweise mit einer 2:44 h den dritten Platz belegte. Den regionalen Sport fördert man so jedenfalls nicht, da unsere eigenen Athleten in der Öffentlichkeit durch den Start von Profis als drittklassig dargestellt werden.

Jeder Marathon erzählt seine eigene Geschichte und macht diese zu einem unvergesslichen Erlebnis, was ganz besonders auch für die diesjährige Auflage in meiner Heimat für mich zutrifft. Dank an alle Beteiligten, meiner Freundin und meinen Eltern, der Leipziger Laufszene, dem LFV, der TSG, den Helfern und Zuschauern, den Ärzten im Ulmer BWK und den Organisatoren für eine gelungene Veranstaltung.
 

K